Karla Schlaepfer
Rede Karla Schlaepfer, MA Berkeley USA, 2010 zur Eröffnung der Einzelausstellung in der Meys Halle in Hennef, 2010
Dieses Wechselspiel zwischen Gezeigtem und Verborgenem, zwischen Andeutung und Analyse, dieses Wechselspiel ist eines der signifikanten Kriterien, die gute Kunst ausmacht. Ernst-Martin Heel handhabt dieses Wechselspiel mit großem Können und viel Enthusiasmus.
… Es ging Heel von Anfang an um die Erarbeitung von etwas Wesentlichem. Die Suche nach geeigneten gestischen Ausdrucksformen in seiner eigenen Bildsprache hat ihn früh beschäftigt. Seine Themen weisen heute eine große Bannbreite auf. Er beschäftigt sich mit Form, Linie, Farbe, Materie, Zerstörung, Raum und Natur. Farbe spielt bei Ernst-Martin Heel eine ganz besondere Rolle, hauptsächlich der Farbenbereich Blau, Prussian Blue; und seine Abstufungen. Blau ist die Farbe der unbegrenzten Dimensionen, die Farbe der Urnaturelemente: Himmel und Wasser …
Heels Bilder sollen sich nicht im rein ästhetischen Formalismus erschöpfen. Sie sollen vielmehr auch als Spiegelbild die Gefühls- und Gedankenwelt des jeweiligen Betrachters ansprechen, der sich auf das Bilderlebnis einlässt.
Wie geht Heel in seinem Malakt vor? Wo findet er seine Anregungen? Er nennt es einen „Anlass“, was ihn reizt und stimuliert. Das kann ein Bild aus einer Zeitung sein, das ihm zufällig ins Auge fiel oder „that caught his eye“ oder eine Postkarte oder ein Foto mit einer interessanten bildlichen Struktur. Er greift diese interessante Struktur auf, überträgt sie auf eine Leinwand und beginnt damit den Malprozess:
Er arbeitet intuitiv und sukzessiv. Er arbeitet aktiv. Er verbindet sich mit dem Bildträger. Er probiert aus, trägt auf, ab, trägt wieder auf. Das Bild wird kritisch betrachtet, dann gleich gegebenenfalls wieder abgewischt und erneut korrigiert. Wenn er einen Farbauftrag oder Aspekt als zu starr empfindet, bricht er die Starre auf. Teilweise sind die Ölfarben gemischt und mit Pinsel aufgetragen, teilweise sind sie direkt von der Tube auf die Leinwand gepresst.
Heel spielt gerne mit Farbeffekten und Kontrasten. Er verdünnt gerne Farbe mit Terpentin und lässt es über die Leinwand fließen wie Wasser, oder träufelt es auf das Bild. Wie ein weißer Schleier, wie stark vibrierende Linien oder wie Wolkenfetzen wird die Farbe Zinkweiß als haltendes Element eingesetzt.
Heel greift oft auf eine leichte weiße Rasterstruktur als weiteres Gliederungselement zurück. Wiederholt und öfters sind die Bilder von starken Vertikalen, den Matrixrastern, gekennzeichnet. Er bearbeitet seine z.T. sehr großen Leinwände mit allen möglichen Dingen – Stoffresten, Jeans(!), Schwämmen, entfremdeten Haushaltsgegenständen und mehr – um mit der Farbe zu strukturieren, um die Farbe möglichst spannungsvoll und raumaufbauend aufzuschichten. Die Bewegungsabläufe dieses Entstehungsprozesses sind visuell greifbar, plastisch und forschend.
Heel möchte ein durchkomponiertes Bild produzieren – keinen Tumult von Farbe und Form. Obwohl er den Zufall das Unbewusste einsetzt und diesem freien Lauf lässt, wird durch Korrigieren und intuitives Bearbeiten des Bildes das mögliche Chaos begradigt und fokussiert. Die zuweilen kräftigen Züge des Farbauftrags und die aufpeitschende Power gewisser Farbhiebe erzeugen eine wunderbare vitale Dynamik ! Diese Dynamik lebt beim Betrachten der Arbeit als ein leicht irritierendes und spannungsreiches Element weiter. Diese Dynamik oder die Bewegeungen im Bild übernehmen nie die Oberhand. Denn die sich wiederholenden Drehelemente, weiße Strukturen und die Verwendung von gezeichneten und gekratzten Linien halten das Ganze im Lot, in Balance. Die runden Spiralen oder der geöffnete Kreis tauchen immer wieder in verschiedenen Größen und in verschiedenen Farben auf. Das intensive Bearbeiten der Bilder führt zu einer Ausgewogenheit, zu einer eher harmonischen Aufschichtung der Farbfelder, die lebendig wirken und die Raum bzw. Räume in den Bildlandschaften schaffen.
In Heels Bildern wird der Betrachter immer wieder von interessanten Momenten überrascht, von herausgearbeiteten Farbkombinationen zu kontrastierenden hell-dunkel Gegensätzen, von leeren Stellen zu leuchtenden Sekundärfarben, die leicht und anmutend poetisch wirken. Von weitem gesehen ähnelt diese informelle Malerei oft einem Naturereignis oder einer Weltszene. Aber bei näherem Betrachten entfalten sich die Strukturen, werden erst dann zur Information. Dem Betrachter, der sich mit dem Bild beschäftigt, sich dem Ereignis des Sehens widmet, wird visueller Besinnungsraum geboten …
Karla Schlaepfer-Karst, MA, Berkeley University, U.S.A („Art Talk“ Köln, Führungen in der Bundeskunsthalle Bonn und auf der „Art Cologne“)