Vernissage Ernst Martin Heel bei barckhausRede Matthias Wellmer
Frankfurt 13. Juni 2024
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
ich begrüße Sie zur Vernissage des deutschen Künstlers Ernst Martin Heel in der Galerie Barkhaus, die sich bisher als Anwaltskanzlei getarnt hat. Dankenswerterweise traut man mir zu, ein paar Worte über diese wundervolle Ausstellung zu sprechen. Ich mache das sehr gerne, möchte Ihnen aber zuvor etwas wichtiges sagen.
Die wichtigsten Worte, die ich Ihnen nämlich mitgeben kann, sind, dass Sie alle daran denken sollten, was vor ca. 220 Jahren einer der größten Söhne dieser Stadt gesagt hat:
„Es ist nicht wichtig, was wir über die Bilder sagen. Sondern wichtig ist, was die Bilder zu uns sagen.“
Deshalb bitte ich Sie, anschließend meine Worte schnell wieder zu vergessen, denn meine Kunsthistorische Brille ist naturgemäß eine andere aber keine bessere.
Das Problem mit abstrakter Malerei ist für viele, dass sie eine intensive Auseinandersetzung mit der Erklärung „Ich verstehe das nicht“ verweigern. Ich frage dann immer, ob diese Leute einen Sonnenuntergang in erster Linie verstehen oder genießen wollen. Wie steht es mit den Reflektionen im Meer und den schäumenden Wellen?
Die Antwort lautet dann in allen Fällen „Nein, habe ich nicht. Ich genieße das nur“ Und genauso müssen Sie es mit abstrakter Kunst machen. Genießen sie diese wie einen Sonnenuntergang. Erfreuen Sie sich am Spiel von Licht und Farbe, lassen Sie das Bild zu sich sprechen und geben sich ihren Assoziationen und Gefühlen hin.
Beherzigen Sie meinen Rat, werden Sie von Ernst Martin Heels Bildern reich beschenkt.
Ernst-Martin Heels Kunst ist ein gekonntes Reflektieren über die Bedingungen der Möglichkeit von Malerei in einer bewussten Auseinandersetzung mit der Kunstgeschichte.
Insbesondere jener Stilrichtung, die nach dem zweiten Weltkrieg in New York entstandenen ist und der man den Namen „Abstrakter Expressionismus“ gegeben hat. Dieser wurde schnell zu der weltweit dominierenden Stilrichtung, die auch in Deutschland herausragende Vertreter hat.
Bei diesen Vertretern spricht man, in Abgrenzung zu den USA, aber lieber von „Informel“ oder auch - dem Französischen entlehnt - „Tachismus“. Es ist eine Malerei, die die Existenz der Fotografie feiert, weil diese sie von der Auseinandersetzung mit der sichtbaren Wirklichkeit entlastet und es den Künstlern erlaubt, sich dem zu widmen, was die Welt im Innersten zusammenhält. Und das ist ja, wie wir seit der Antike wissen, nicht der Schein der Dinge, sondern deren Sein.
Platon sprach von Kunst „als den sinnlichen Schein der Wahrheit“. Und in der Tat kann eine solche ästhetische Erforschung dieses Grals notwendigerweise keine gegenständliche sein. Denn wenn ich jemanden von Ihnen fragen würde „Wer sind Sie?“ würde sie sofort ihren Namen sagen. Sie würden nicht, wie in der Werbung, aufzählen, was sie alles haben, sondern nur ihren Name nennen. Und Namen sind eine nicht deskriptive Abstraktion. Namen haben also denselben Status, wie diese Art von Malerei.
Ähnlich ihrer Unterschrift, die ja die Idee einer einzigartig authentischen und unnachahmlichen visuellen Repräsentation ihrer Person ist, muss man auch diese Art von Kunst verstehen.
Ernst-Martin Heels Malerei ist in einer ähnlichen Weise eine gestisch impulsive, mit einem nicht nachahmenden Pinselstrich (Mimesis), also einem Pinselstrich, der als konkretes Ereignis auf einer Leinwand seine eigene Realität für sich beansprucht.
Einen Pinselstrich, der nicht mehr im Dienst der Abbildung der sichtbaren Welt steht und dann im Abgebildeten, wie in den Werken Alter Meister, verschwindet. Farbe, Form, Geste und Komposition haben bei ihm ihren Zweck an und für sich und werden nicht als Mittel zum Zweck missbraucht.
Und hier entdecken wir, dass diese Kunst eigentlich viel weniger abstrakt ist, als man denkt. Sie ist unmittelbarer Ausdruck der Grazie einer Geste im Akt des Malens.
Das Großartige bei Heel ist, dass seine Bilder zwar gestisch impulsiv wirken aber keinesfalls willkürlich oder zufällig sind. Sie sind genauso Ergebnis eines inneren Dialogs mit der Kunstgeschichte wie Ausdruck des formalen Willens des Künstlers, der im besten Sinne des Wortes die Renaissance Tradition des „gelehrten Malers“ in der Gegenwart fortsetzt.
Denn je mehr man sich auf die Bilder einlässt, desto deutlicher wird Heels Auseinandersetzung mit der Bedingung der Möglichkeit von Malerei, mit dem Sein hinter dem Schein der Gegenständlichkeit. Man sieht, wie Heels Bilder eine Art ästhetisch emotionale Forschung sind, die in fast jedem Bild eine abstrakte Form farblich befragt. Mal sind es Halbkreise, mal Flächen unterschiedlicher Opazität, die nebeneinander, ineinander und übereinander eine bildnerische Struktur etablieren. Er tut dies mit Pinsel, Rakel, aber auch mit der Pinselspitze und Ritzungen in die Maleroberfläche, mit verdünnten Farben unterschiedlicher Fluidität.
Formal unterscheiden lassen sich dabei vielleicht zwei Kategorien. Zum einen sehr konzentrierte fast voluminöse farbliche Verdichtungen, die die Leinwand fast vollständig zum Verschwinden bringen, zweitens luftig leichte Bilder mit gestisch pastosen Akzenten auf einer lediglich weiß grundierten Leinwand mit viel Mut zur Leere.
Meist sind die Bilder dominiert von einer Farbe. In dieser Ausstellung besonders auffällig das Blau. Manchmal treten zwei Farben in den Dialog miteinander, höchstens drei, selten mehr. Fast alle Bilder haben neben der Flächenkomposition kontrastiv gesetzte Akzentuierungen, die ein formales Gleichgewicht erzeugen und damit geradezu klassischen Kompositionsprinzipien folgen.
Meine Damen und Herren, genug der kunsthistorischen Einordnungen. Misstrauen Sie mir, Vertrauen Sie sich und hören Sie dem nonverbalen Flüstern der Werke gespannt zu.
Davor aber erheben wir unser Glas und danken dem Künstler Ernst-Martin Heel sowie der Galerie Barckhaus für diese wunderbare Ausstellung. Ich wünsche Ihnen gute Gespräche.
Vielen Dank.
Matthias Wellmer 2024, Kunsthistoriker, Frankfurt
Daten zur Ausstellung
Vernissage am 13. Juni 2024. Ausstellung bis 15.Oktober 2024. Galerie barckhaus, Frankfurt