Ausstellungseröffnung Ernst Martin Heel. Bilder 2020–2023 am 27.10.2023 in der Galerie Smend, KölnRede von Dr. Dan Xu

    Liebe Kunstfreunde, lieber Ernst-Martin,

    ich begrüße Sie alle herzlich zu der Ausstellungseröffnung Ernst Martin Heel. Bilder 2020 -2023. Wir zeigen Ihnen heute die neuesten Bilder des Künstlers, die in den letzten Jahren entstanden sind. Viele unter Ihnen wissen aber, dass Ernst Martin Heels Beschäftigung mit der Kunst bereits sehr viel früher begangen hat. Geboren wurde er 1950 in Bonn. Angeregt durch die kulturellen Einflüsse der 60er Jahre setzt er sich bei seinem Studium der Germanistik und Geschichte auch intensiv mit den Ausdrucksformen und Theorien moderner bildender Kunst auseinander. Insbesondere die Entwicklung des deutschen Informell, eine Kunstrichtung, die mehr eine Haltung als ein Stil ist und sich als Ausdruck der Freiheit und Authentizität entfaltete, beeinflusste ihn nachhaltig bei der inhaltlichen und formalen Entwicklung seiner Malerei, welche er inzwischen seit fast 50 Jahren mit Leib und Seele betreibt.

    2014 habe ich zum ersten Mal gemeinsam mit Ernst Martin Heel für eine Ausstellung gearbeitet. Inzwischen sind fast 10 Jahre vergangen und die Welt ist eine andere als 2014. Auch die Malerei von Ernst Martin Heel hat sich weiterentwickelt. Sie ist freier, gelöster und auch sanfter in der Komposition und im Farbauftrag geworden, sodass im Vergleich zu früheren Arbeiten das Rationale zur Gunsten des Malerischen mehr in den Hintergrund getreten ist. Die Gegenstandslosigkeit als Sujet und die künstlerische Haltung sind gleichgeblieben. D.h. Farben, Linien, Komposition auf der einen Seite, Rhythmus, Tempo und Duktus auf der anderen Seite bilden den Kern seiner Malerei, die frei von jeglichem Abbilden eines rein auf das sehen und das Erkennen basierenden Realitätsbegriffs existiert. Dennoch ist sein Kunstverständnis keineswegs realitätsfern. Auch steht sie nicht im Sinne eines radikalen „L’art pour l’art“. Der Künstler versteht das Malen als Handlung, als einen prozessualen, gestischen Akt, um das menschliches Dasein zu erforschen und zu reflektieren. Wenn auch seine Kunst nicht politisch ist, so handelt sie ganz und gar von der Realität, nämlich von der eigenen, existenziellen, inneren Welt um Wirklichkeit, Freiheit und Authentizität.

    Die Bilder von Ernst Martin Heel leben von ihrem Wunsch, etwas darin erkennen zu wollen. Sie zeigen Ähnlichkeiten mit realen Erscheinungen, die sich dann aber nicht richtig einlösen lassen. In der Musik ist das ähnlich. Sie erzeugen Stimmungen, weil die Töne Ähnlichkeiten haben mit realen Lauten – mit klagenden, mit freudigen, mit schrillen oder mit zarten Tönen. Die Musik spielt ohnehin eine wichtige Rolle für Ernst Martin Heel und dient ihm oft als Inspirationsquelle. An diese Stelle, wo wir über die Musik sprechen, darf ich auch den Komponisten Markus Schönewolf ganz herzlich begrüßen. Gemeinsam haben sie in der Vergangenheit die Malerei und die Musik in spannenden Projekten zusammengebracht.

    Nun nochmal zurück zu Ernst Martin Heel: Er schafft (also) kein Abbild der sichtbaren Welt und das ist in vielerlei Hinsicht spannend – spannend vor 50 Jahren und spannend heute – und gerade jetzt sehr aktuell. Lassen Sie uns gerne eines der ausgestellten Werke näher betrachten. Das Bild „All along the Watchtower“, eine der ganz neuen Arbeiten aus diesem Jahr, ist ein sehr dynamisch wirkendes, fast temporeiches Bild. Die hauptsächlich vertikalen Strukturen in weiß und gelb geben dem Bild eine Grundordnung. Diese wird durch das umherfliegenden blau und fetzen aus orange aufgelockert, ja fast ins Chaotische gestürzt. Das Wechselspiel von Farben, Duktus und Richtungen hat auch was Musikalisches an sich, von leisen und lauten Tönen, von widerkehrenden Akkorde und chaotischen Klänge. Der Werktitel geht auf das berühmte Lied von Bob Dylan und (Jimi Hendrix) zurück. Ein Lied, das neben der ansprechenden Melodie natürlich auch für seinen politischen Inhalt und philosophische Metaphorik bekannt ist. Nun fungieren die Werktitel nur bedingt als Anhaltspunkt für den Betrachter, um in das Werk von Ernst Martin Heel einzutauschen. Er ist höchstens als Anregung, keineswegs als Gebrauchsanweisung zu verstehen. Vielleicht könnte man hinter dem Sturm aus blau einen Wachturm ausmachen, die vertikalen Strukturen haben architektonische Ähnlichkeiten an sich. Der blaue Sturm bringt Chaos und Verwüstung in die Ordnung des Bildes und vielleicht auch in die Welt, in der wir leben. Manche Betrachter sehen in den verwendeten Farben eine Symbolik, die zu der aktuellen Krisensituation passt. Aber all das liegt im Auge / und in den Gedanken des einzelnen Betrachters. Entscheidend ist nicht, dass wir Ein Bild oder gar Eine Botschaft darin sehen, sondern dass dieses Bild ein Gegenbild zu der sichtbaren Realität ist, welches uns die Möglichkeit verschafft, innezuhalten; Das dieses Bild die Kraft besitzt, unser Gemüt zu bewegen. Und das dieses Bild in der Lage ist, die zerstörerische und schöpferische Energie gleichermaßen sichtbar zu machen.

    Und im Scheitern des eindeutigen Erkennens liegt das Potenzial des Werks, der eigenen Existenz näher zu kommen. Ganz im Sinne eine Opera Aperta, ein Begriff, der von Umberto Eco geprägt ist und ein offenes Kunstwerk meint, ist der Prozess der Rezeption entscheidend für das Werk. Für den Künstler dient der Prozess der Malerei der Erforschung der eigenen Existenz. Und indem wir uns auf die Bilder von Ernst Martin Heel einlassen und dabei uns vom Zwang des Wiedererkennens befreien, werden auch wir in der Lage sein, dem Wesen der Kunst und vielleicht auch darüber hinaus dem Wesen des Daseins ein Stückchen näherkommen.

    Ich wünsche uns einen anregenden Abend mit dem Künstler Ernst Martin Heel und seiner Kunst.

    Dan Xu